Ruben in Frankreich

Sonntag, September 02, 2007

Frankreich-Fazit.

Ein Jahr Zivildienst.
In Frankreich, etwas abgeschieden, in der Abtei Hautecombe.
Bei der religiösen Gemeinschaft Chemin Neuf (Neuer Weg).

Tja, nun ist es schon zwei Wochen her, dass ich England und sieben Wochen, dass ich Frankreich als Zivi verließ.

Seit einer Woche zurück in Berlin, davor zwei Tage Annecy inklusive eines mehrstündigen Hautecombe-Aufenthaltes, davor eine Woche Paris, davor fünf Wochen Langport in England. So lange schon liegt es zurück, dass ich mich als Zivildienstleistender aus der Abtei Hautecombe in Frankreich endgültig verabschiedet habe.

Es wird Zeit für einen Rückblick. Es wird Zeit für ein Fazit.


Nennen wir das Kind beim Namen: Ich hatte einen schlechten Start!

Punkt 1: die Sprache.
Vor besagtem Jahr sprach ich kein Wort Französisch, außer Baguette, Jalousie, Portemonnaie und „Merci“. Keine Guten Vorrausetzungen also, für einen Aufenthalt von 12 Monaten in Frankreich. Doch ich ließ mich überzeugen; ich hätte ein „gutes Händchen“ für Sprachen. So fuhr ich auch schon zur Probewoche ins kalte Wasser - und verstand dort, wie man sich denken kann, nicht besonders viel!

Mit meinem Spanisch-Leistungskurs und einem Zwei-Wochen-Intensiv-Französisch-Kurs, der mir half, meine spanischen Vokabeln französisch auszusprechen, kam ich anfangs allerdings auch nicht wirklich weiter – außerdem wurden die in Berlin noch geschürten Hoffnungen auf vereinzelte Nachhilfsstunden vor Ort überraschend arg enttäuscht! So blieben die Hände und Füße. Denn mit Englisch kommt man in Frankreich, wie ich lernen musste, nicht wirklich weit!

Das kalte und unbegründete „Nein!“ hinterließ allerdings auch (Unverständnis-)Spuren bei mir, war ich doch sehr verwirrt, dass anscheinend kein Wert darauf gelegt wurde, dass ich diese so unabdingbare Sprache für Kommunikation(!!) in Alltag und Arbeit erlerne. Das lag wohl aber am Status „Zivi“, da alle anderen in Hautecombe Ankommenden gegenteilig sofort mit täglichen Unterrichtseinheiten belegt wurden!

Aus Fairnessgründen will ich hier noch erwähnen, dass die Zeit kam, in der ich mir eine Nachhilfestunde pro Woche erkämpft hatte, was allerdings schon bald wieder einschlief…

Punkt 1: die Sprache. Mein Fazit:
Ohne Französisch-(Schul-)Grundkenntnisse würde ich vor einem solchen Jahr unbedingt abraten, da ein schlechter Start garantiert ist! Denn gerade am Anfang ist Verständnis besonders wichtig!

Jetzt spreche ich Französisch – ok, und ich bin froh darüber – doch wenn ich an die ersten Monate zurückdenke…wow!…es war ein langer und sehr mühsamer Weg!


Punkt 2: Religion.
Ich bin Baptist. Protestant also, wie in Frankreich von den meisten mir begegneten verallgemeinert wurde. Frankreich ist ein römisch-katholisches Land. Die Gemeinschaft Chemin Neuf ist eine römisch-katholische Gemeinschaft. Gut, mit „ökumenischer Berufung“, aber, wie ich nach leider falschen Erwartungen erfahren durfte eben doch eine römisch-katholische.

Ich kann längst nicht über die gesamte Gemeinschaft und allgemein sprechen, was ich auch nicht unbedingt will, wohl aber über die Erfahrungen, die ich persönlich und hier speziell in Hautecombe gemacht habe!

Vielleicht denke ich viel zu fortschrittlich (das hoffe ich in diesem Zusammenhang zumindest stark!!), vielleicht hatte oder habe ich auch falsche Vorstellungen von dem Begriff Ökumene, doch glaube ich, ist damit eine Annäherung der verschiedenen Konfessionen gemeint, um dem ökumenischen Anliegen kirchlicher Einheit näher zu kommen.

Mein Gefühl in Hautecombe war, dass, wenn ökumenische Bestrebungen an den Tag gelegt wurden, diese in die Richtung gingen, mich als Protestanten „zurück ins Boot“ zu holen. Der Alltag lief in festen, römisch-katholischen Bahnen ab und selbst protestantische Mitglieder der Gemeinschaft passten sich diesen mehr oder weniger an.

Der einzige erkennbare Ausbruch, welchen ich erlebte, war, dass es sonntags die Möglichkeit gab, zu einem Gottesdienst seiner eigenen Konfession zu fahren. Es wurde oft sogar ein Auto gestellt. Leider habe ich das, für meiner Auffassung nach, für Ökumene wichtige Interesse an anderen Konfessionen (erkennbar vielleicht durch Fragen oder sogar Begleitung zu einem solchen Gottesdienst) selten bis gar nicht erlebt.

Auch das „gestattete“ Teilnehmen am Abendmahl in der Messe, offenbarte sich auf Nachfrage als doch eher zweifelhaft.

Wie auch immer, ich kannte den römischen Katholizismus vor diesem Jahr so gut wie gar nicht, und habe für mich viele interessante Entdeckungen gemacht. Doch hat auch dies seine Zeit gebraucht und war nicht wirklich ein Ruhepol am Anfang meiner Zeit.


Punkt 2: Religion. Mein Fazit:
Meine relativ schlechten Kenntnisse des römisch-katholischen Glaubens, mit all seinen Unterschieden zu dem mir Bekannten, verschaffte in mir anfangs eine starke Gewöhnungsbedürftigkeit.

Es war interessant und ich habe viel gelernt, keine Frage! Doch sind persönliches Interesse, Verständnis und Akzeptanz unabdingbar, nicht nur, wenn man „Protestant“ ist!


Punkt 3: Hierarchie.
Mir musste erst bewusst werden, dass ich als Zivildienstleistender hoffnungslos, permanent und selbstverständlich an unterster Stufe dieser strikt strukturierten Hierarchie stand. Es war anfangs schwierig sich klar zu machen, dass ich zwar in einer christlichen Gemeinschaft bin und mitlebe, dass diese allerdings nicht so, wie ich das vorher kannte, auf Gleichheit und Demokratie aufbaut (in der zum Beispiel ein „allgemeines Priestertum“ möglich wäre), sondern eben dem Vorbild der römisch-katholischen Kirche folgt.


Sicherlich gibt es noch weitere Punkte, die meinen „schlechten Start“ verdeutlichen könnten, doch muss ich sagen, war nicht alles schlecht! Ganz im Gegenteil – falls es sich in bereits Beschriebenem so anhören sollte!
(Doch finde ich, dass die Beschreibungen potentielle Hautecombe-Zivildienstleistende vor falschen Vorstellungen bewahren kann!)

Nein, habe ich mich doch ganze drei Mal für die Kombination Chemin Neuf und Frankreich entschieden! Denn nach dem, logischer Weise, ersten Entscheiden, gab es noch zwei weitere Möglichkeiten/Anlässe/Angebote, welche ich jedes Mal jedoch bewusst ausließ.


Ich muss sagen, dass ich dieses Jahr wahrlich nicht bereue. Habe ich doch auch unheimlich viel gelernt und mitgenommen.

Ganz am Anfang die französisch Sprache, gefolgt von Erfahrungen in vielen verschiedenen Arbeitsgebieten, wie es so in Deutschland in einem Zivi-Jahr wahrscheinlich gar nicht möglich gewesen wäre. Imker, Gärtner, Koch, Tischler, Bauarbeiter, Bauer, Putzhilfskraft – als spontane Erinnerungen.

Die Erfahrungen über den römischen Katholizismus, ganz dich gepaart mit dem Bewusstwerden über meine eigene Konfession und meinem eigenen ganz persönlichen Glauben, denn in seltenen Gelegenheiten intensiver Gespräche gab es schon spannende Fragen, die beantwortet werden wollten!

Es war ein tolles Gefühl, in einer solchen Landschaft und in einem solchen Gebäude gelebt zu haben!

Es war mehr als interessant, so viele Leute verschiedener Herkunft kennen zu lernen. Für mich hat es die Welt ein Stück kleiner gemacht.

Ich hatte eine tolle Zeit mit meinen Zivi-Kollegen Riccardo und Immanuel. Und ich denke, dass es besonders wichtig ist, sich mit seinen Mitstreitern aus Deutschland dort gut zu verstehen, denn sonst kann es schwierig werden! Ein sehr positiver Punkt für mich!

Hee, hee – wichtig ist auch, dass wenigstens einer der Zivis einen fahrbaren Untersatz dabei hat, denn Hautecombe ist sehr abgeschieden. Von Allem! Und ab und zu muss man auch mal raus! (Danke, Ricco!)

Zusätzlich habe ich noch andere Bekanntschaften und Freundschaften schließen können, die anhalten und die ich nicht missen möchte!!

Ich muss auch unbedingt die Baptistengemeinde in Chambery erwähnen, die unglaublich wichtig für mich war und die mir immer wieder half! Schon beim ersten Besuch und ohne irgendwas zu verstehen, fühlte ich mich zu Hause! Und das hat gut getan! Und auch hier gibt es Freundschaften, die andauern!


Sicherlich habe ich auch auf dieser Seite Punkte vergessen, die unterstreichen, dass ich auch eine gute Zeit dort verbrachte, doch möchte ich auch diese Seite lieber unvollständig und offen lassen…


Am Schluss möchte ich mir nun noch die Frage stellen, die oft nach Beendigung eines Lebensabschnittes, einer besonderen Erfahrung, eines Abenteuers o.ä. gestellt wird:

„Sag mal, Ruben, würdest du es noch einmal machen?“

„Hmm… schwierig! Noch einmal? Frankreich? Hautecombe? Gleiche Bedingungen? Nun, wie schon gesagt, bereue ich nicht, dieses Jahr gemacht zu haben – im Gegenteil, ich glaube, es war echt gut, richtig und wichtig für mich!! Doch mich jetzt noch einmal für ein Jahr bei Chemin Neuf in Hautecombe zu entscheiden, könnte ich wohl nicht. Die Antwort würde ‚nein’ lauten!“


Ps. Scheut euch ja nicht zu kommentieren, diskutieren oder nachzufragen! :)


 

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